Die Schuld, lieber Brutus, liegt nicht in unserer Technologie, sondern in uns selbst.

So zumindest hat Shakespeare das gesehen. So, paraphrasiert, zumindest.

Kennt ihr diese Posts, die immer mal wieder auf Facebook erscheinen? Ein Umstand, der an Ironie übrigens kaum zu übertreffen ist. Also, wir haben alle diese Freunde und Freundinnen, die immer mal wieder diese Filmchen auf Facebook posten, in denen es darum geht, dass unsere Mobiltelefone uns alle zu Zombies machen. Es handelt im Grossen und Ganzen davon, dass die Menschheit nur noch auf den kleinen Apparat starrt und dabei die eigene Menschlichkeit verliert, weil sie die Menschen, mit denen sie den realen physischen Raum teilen, zu Gunsten einer virtuellen Realität ignorieren. Besonders beliebt ist dieses Kind mit den riesengrossen Augen, das vergeblich versucht, eine menschliche Verbindung zu den erwachsenen Handy-Zombies herzustellen. In dem animierten Film springt dann auch noch eine Frau von einem Gebäude, und alle machen nur Fotos und gehen weiter.

What an absolute bunch of horseshit.

Ich weiss gar nicht, wann dieser jenseitige Bullshit angefangen hat, aber er geht mir unfassbar auf den Geist. Es ist nichts weiter als das unaufhörliche Wehklagen der Ewiggestrigen, die Angst vor allem Neuen haben und grundsätzlich früher alles viel besser fanden. Als sie noch zu Fuss zur Schule mussten, barfuss durch den Schnee, bergauf – in beide Richtugen! Das hat Charakter gebildet, das versteht die heutige Jugend nicht, diese verweichlichten Kinder, denen alles in den Schoss fällt. Blah, blah, gähn.

Zu meinem Leidwesen finden sich die HaupttäterInnen dieser Social Media Vergehen in meiner Generation, der Gen X – der letzte Generation vor den Digital Natives. Unsere Lernkurve war möglicherweise etwas flacher als die derer, die nach uns kamen. Ja, das Älterwerden ist nicht einfach. Aber das ist echt keine Entschuldigung für all den Bullshit.

Daher eine Retaliation in zwei Punkten.

Punkt eins: Ein Mobiltelefon wird häufiger zum Aufnehmen von Kontakt verwendet, als um denselben zu vermeiden.

Mobiltelefone sind Kommunikationsgeräte, und überraschend viele Menschen nutzen sie als solche. Das war jetzt Ironie. Tatsächlich darf davon ausgegangen werden, dass die meisten Menschen mit Hilfe dieser Geräte vor allem kommunizieren. Ich persönlich habe sechs verschiedene Messenger Apps, die ich gerne und häufig verwende. Wieso so viele? Nun, es gibt die Coolen (LINE, Telegram), die Sicheren (Threema), die Vorinstallierten (SMS, weisch no?), und dann gibt es noch den Mist, den einfach alle verwenden: WhatsApp, FB Messenger. Jä nu. Tatsache ist, alle sechs sind rege in Gebrauch, täglich. Weil ich doch ein ziemlich kommunikativer, extravertierter Mensch bin. Ja, das heisst übrigens „extravertiert“. Das kann man nachschlagen.

Es ist auch meine Observation, dass ich nicht die Einzige bin, die gerne kommuniziert. Jeden Tag sehe ich in den öffentlichen Verkehrsmitteln Leute telefonieren, Textnachrichten schreiben, oder über Facebook interagieren. Ah ja, Facebook. Man kann von den Geschäftspraktiken halten, was man will, aber Facebook hat zweifellos wesentlich dazu beigetragen, dass die Welt enger zusammengerückt ist. Dank FB weiss ich, wie’s meinen Leuten in Seattle so geht, jetzt, da ich mit meinem arabischen Nachnamen nicht mehr einreisen kann. FB erlaubt mir, niederschwellige Kontakte aufrecht zu erhalten, sei es mit neuen Arbeitskollegen oder alten Schulfreundinnen. Dank FB kann ich locker mal in die Runde fragen, ob sich noch wer an lineare Algebra erinnert, und bekomme innert nützlicher Frist eine Antwort und Hilfe. Technologie verbindet uns. Wenn wir sie lassen.

Das bringt uns nämlich zu

Punkt zwei: Wer nicht mit Menschen interagieren will, hat schon immer Mittel und Wege gefunden.

Und damit spreche ich wieder aus persönlicher Erfahrung. Denn so kommunikativ ich auch sein mag, ich wusste es schon immer, Menschen gezielt zu ignorieren. Fragt meine Mutter. Meine Standard-Antwort auf Fragen, die in Richtung unangenehme Aufgaben gingen, so im Stil „hol mir bitte etwas aus dem Keller“, habe ich grundsätzlich mit den Worten, „gleich! Nur noch schnell das Kapitel fertig lesen!“ beantwortet. Weil Bücher. Bücher waren mein Schild gegenüber der Umwelt, als ich ein Kind bzw. eine Jugendliche war. In der Öffentlichkeit gerne auch in Kombination mit meinem über alles geliebten Walkman. See no evil, hear no evil; ignoriert mich, denn ich ignoriere euch. Anders geht ÖV doch gar nicht.

Und dieses Klischee von dem Mann, der sich am Frühstückstisch hinter seiner Zeitung regelrecht versteckt, um nicht reden zu müssen? Ein Fünkchen Wahrheit steckt auch da drin, ich habe Variationen zu dem Thema gesehen.

Wenn wir also neumodischer Technologie die Schuld geben wollen, dann wäre es dieses moderne Zeugs aus dem Jahr 1440, die Druckpresse. Johannes Gutenberg ist schuld am Untergang der westlichen Zivilisation. Die katholische Kirche hätte dieser Wahrnehmung vermutlich zugestimmt.

Oder es liegt an uns. Dumm gelaufen.

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