Ein der wichtigsten Fragen, die man bei Antritt einer neue Stelle klären muss, ist, wo das Essen herkommen soll. Ja, klar, ich koche gern und oft, aber halt nicht immer. Und dann muss externes Essen her. Rapperswil ist dahingehend, sagen wir, eher konservativ. Gegenüber dem Büro stehen eine sympathische und eine weniger sympathische Beiz, die Migros ist nicht weit, und einen Pizzalieferdienst gibt es auch.
Ein Highlight ist die Dame mit dem Thai-Restaurant schräg über die Kreuzung: ihre Gerichte sind hervorragend, auch wenn die Preise Stadtzürcher Flair haben, und ihr Service gibt immer tagelang zu reden im Büro. Es ist bemerkenswert, wie lange es dauert, dort zu der angestrebten Portion roten Thai-Currys mit Ente zu kommen. Minuten werden zu Stunden, Tage vergehen, die Jahreszeiten wechseln sich ab, und man hofft einfach, noch vor der Pensionierung dran zu kommen. Die Schlange vor dem Lokal macht einem natürlich klar, welch grosser Beliebtheit sich dieses erfreut. Aber wenn Madame auch nur den Hauch von Effizienz besässe – wir könnten binnen Minuten drin und wieder draussen sein. Es ist ein Spektakel, das sich jeder Beschreibung entzieht. Geradezu traumtänzerisch wirkt ihre Herangehensweise, gänzlich unverständlich für den Geist im Wachzustand. Vermutlich ist da etwas Transzendentales, das sich meiner gestressten Stadtseele noch nicht offenbart hat.
Aber eben, wir nehmen Frau Thai in Kauf, denn so viele Alternativen gibbet ja nun nisch. Die Migros natürlich, mein geliebtes oranges M, auf das man sich gesamtschweizerisch verlassen kann. Der Sonnenhof hat dann auch einen Tresen mit frittierter Ware, fish and chips, Butterfly Crevetten, Poulet-Curry-Bällchen – was das Herz begehrt. Das Salatbuffet variiert natürlich stark, aber irgend etwas findet sich immer. Und im Parterre des Einkaufszentrums hat’s einen Beck mit verdammt guten Nussgipfeln.
Was sich das Stadtherz hier wünscht sind aber so ein bisschen die Hipster-Wasserlöcher, wie man sie von zuhause kennt. Zum Beispiel ein Sushi-Laden, der für eine Portion von acht Uramaki nicht einen Arm, ein Bein, zwölf Kamele und mein Erstgeborenes haben will. Richtig, der ortsansässige Pseudo-Japaner hat höhere Preise als Yooji’s an der Bahnhofstrasse, bei vergleichbarer Qualität. Ich würde mich ja schon mit einem Nooch zufrieden geben. Ganz gut wäre natürlich ein Not Guilty, mit seinen Suppen und Salaten, wo man hinterher immer das Gefühl hat, massiv Karmapunkte für Körper und Geist gesammelt zu haben. But, no such luck; in Rapperswil ist gerade erst die Speerspitze der Gentrifizierung – Starbucks – eingetroffen. Und dafür bin ich natürlich angemessen dankbar. Jetzt muss halt der Rest noch nachziehen. Falls ihr also wisst, dass der Neffe des Briefträgers der Tante eurer besten Freundin bei Not Guilty in der Geschäftsleitung ist, dann lasst ihn bitte wissen, dass Rappi up and coming ist und dringend hipsterisiert werden muss.
Es hat ein bisschen gedauert, bis ich den heiligen Gral der mittäglichen Verpflegung entdeckt habe, das Nonplusultra unter den Providern kulinarischer Versorgung: den Nussbaumer. Die Familie Nussbaumer hat die Stadthofmetzg vorne an der Kreuzung. Ist ein bisschen ein Weg, aber natürlich ist man schneller, als wenn man bei Frau Thai anstehen würde. Es ist, wie gesagt, eine Metzg, was bedeutet, dass sie kein vegetarisches Menu haben, echt jetzt. Was sie haben, ist Fleisch. Hervorragendes Fleisch. Im Winter oft geschmort und begleitet von Kohlenhydraten, im Sommer gegrillt und von bunten Salaten umgeben. Die Tragödie ist, dass sie am Montag zu haben, aber das Menu ist spätestens am Dienstagmorgen verfügbar und vielversprechend. Letzte Woche gab es zarteste geschmorte Haxen mit Härdöpfelstock. Das Sösseli! Ein Gedicht. Ein Sonett, geradezu. Es hat etwas Heimeliges, sagte die Städterin, ganz ohne Ironie.
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