Gebrauchsanweisung für die Stadt: How to ÖV

Da es scheinbar Menschen gibt, die die Kinderstube nur von aussen gesehen haben, fühle ich mich gezwungen, eine Serie von Anleitungen zu verfassen, wie man sich in einer Stadt benimmt. Ich werfe ja niemandem vor, dass er/sie auf dem Land aufgewachsen ist, wo man das mit den Manieren etwas ungezwungener sieht – vor allem, weil man ja nie auf mehr als acht Menschen auf einmal trifft. Ich verstehe es: man hat Platz zum versauen, und damit einen die Mitmenschen überhaupt hören, braucht man die Stimmgewalt eines Pavarotti. Man kennt alle. Mit der Hälfte ist man verwandt und verschwägert. Alles ist vertraut und locker.

Willkommen in der Stadt. Hier läuft das anders.

In der Stadt leben viele verschiedene Menschen, mit verschiedenen Hintergründen. Einige sind hier geboren, andere sind aus exotischen Orten hierher gezogen, wie zum Beispiel Yaoundé, Ho Chi Minh oder Ellikon an der Thur. Manchmal haben wir verschiedene Vorstellungen von angenehmer Konversations-Lautstärke, dem idealen Abstand zwischen fremden Menschen, oder dem erwünschten Ausmass der Anwendung von Deodorant. Deshalb brauchen wir klare Regeln. Wir fangen dabei mit dem essentiellsten Skill an, den es braucht, um in einer Stadt nicht negativ aufzufallen: Wie benutze ich die ÖV, ohne anderen Menschen zu Totschlägern zu machen?

1. Nicht direkt an der Tür stehen bleiben.

Wer direkt an der Tür steht, steigt unmittelbar an der nächsten Station aus. Das ist das einzige Szenario, das es rechtfertigt, dass man nach dem Einsteigen direkt an der Tür stehen bleibt. Nicht an der übernächsten Station. Nicht erst in fünf Stationen. GLEICH. Sollte dieser Umstand nicht gegeben sein, schliesst man ins Innere des ÖVs auf.

2. Hinsetzen.

Du musst hier echt niemandem beweisen, dass du die Sportskanone bist, die es nicht nötig hat, sich zu setzen. Du bist nämlich vermutlich der gleiche Halbschuh, der dann locker-flockig mit beiden Händen am Mobiltelefon rumfummelt und sich mit genau null Händen festhält. Dann muss das Tram/der Bus plötzlich bremsen, und dann haben wir den Salat. Setz dich hin.

3. Es passen keine fünf Kinderwagen in den gleichen Bus.

Auch nicht in den 80er, wenn er über den Hönggerberg fährt. Wenn schon vier andere Kinderwagen drin stehen, muss man also in den sauren Apfel beissen und eine von zwei Optionen wählen: zu Fuss gehen, oder auf den nächsten Bus warten. Keine dieser Optionen ist es, den Bus minutenlang mit Real Life Tetris aufzuhalten. Es gibt übrigens auch keinen guten Grund, das Velo während der Stosszeiten im ÖV zu transportieren. Ausser, man will sterben.

4. Aussteigen lassen.

Dass ich das überhaupt erwähnen muss. Echt jetzt. Wir fahren schon nicht ohne dich weiter.

5. Mach die Beine zu, Manspreader.

Diese Sitze sind ja mit meinem Hintern oft schon überfordert. In diesem Wissen behalte ich meine Beine in paralleler, geschlossener Position vor mir. Männer hingegen sitzen gerne mal in einem 150° Winkel da, um das Maximum an Raum einzunehmen. Don’t. So riesig sind deine Eier jetzt auch nicht.

 6. Die Türen können keine Gedanken lesen.

Die gehen nicht auf, nur weil man da steht. Dafür haben wir eine Serie von Knöpfen im Gefährt verteilt. Damit kann man andeuten, dass man demnächst aussteigen möchte, und von innen wie aussen lassen sich damit die Türen öffnen.

7. Sprich keine Menschen an, die Musik hören.

Wir ignorieren dich absichtlich. Slayer haben dein Leben schon öfter gerettet, als du jemals erfahren wirst.

8. Überhaupt, sprich keine Fremden an.

Kennen wir uns? Nein? Dann sprich mich nicht an. Hat dich deine Mamma nicht gewarnt, du sollst nicht mit Fremden reden?

9. Halt uns nicht auf, wenn du zu spät bist.

Wenn wir jetzt auf dich warten, verpassen wir den Anschluss. Die Bedürfnisse der Vielen sind wichtiger als die Bedürfnisse des Einzelnen. Ausserdem bist du selbst schuld.

10. Gangsitzer sind die letzten Asis. 

Das ist Kurzform für „asozialer Arsch“. Wenn der Fensterplatz frei ist, setz dich da hin. So muss die nächste Person nicht über dich drübersteigen. Und du bist fetten Leuten wie mir nicht im Weg, wenn wir uns durch das ÖV bewegen. Zu dieser Regel gibt es eine, genau EINE Ausnahme:

11. Die korrekte Besetzung des Viererplatzes.

Der/die Erste, der/die kommt, besetzt den Fensterplatz ihrer/seiner Wahl. Die nächste Person wählt entsprechend den Gang-Platz schräg gegenüber. Also den in der Diagonale. NICHT neben der ersten Person. NICHT gegenüber. Wenn wir Glück haben, bleibt’s bei zweien, und niemand muss fremde Menschen berühren. *schauder*

Bei Einhaltung dieser simpeln Regeln bin ich überzeugt, dass auch du die Stosszeiten in Tram und Bus überleben kannst. Du kannst auch an deinem ÖV-Verhalten messen, wie gut du schon akklimatisiert bist: sobald du der/die bist, der/die die anderen mit passiv-aggressiven Blicken tötet, bist du angekommen.

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