Gebrauchsanweisung für die Stadt: How to Migros

„For your convenience, we suggest courageous, efficient self-service!“ – Engrish, gefunden in einem Supermarkt in Hong Kong

Das Leben ist kein Ponyhof und die Stadt kein Kindergeburtstag. In der Stadt trifft man gerne mal auf Leute, die es pressant haben. Stuff to do, places to be, etc. Viele von uns gehen einkaufen. Viele von uns gehen, arbeitstechnisch bedingt, zur gleichen Zeit einkaufen. Fingerspitzengefühl ist gefragt.

Ich gebe zu, die Migros kann einem, gerade an einem Samstag, das Äusserste abverlangen. Alle Methoden, die wir uns im Laufe unseres Lebens erarbeitet haben, um durch den Alltag zu kommen, ohne uns im Sinne von Artikel 113 des Strafgesetzbuches schuldig zu machen, werden bei dieser Gelegenheit abgerufen. Und unsere Mitmenschen machen es uns nicht leicht. Sie verstossen gegen die Regeln des Stadtlebens, des Anstands und des gesunden Menschenverstandes.

Anbei deshalb ein kurzes Manual.

1. Brot ist keine Frucht.

Ich verstehe, dass man bei Früchten gerne mal den „Quetschtest“ anwendet: man presst leicht mit den Fingern gegen die Schale, um zu sehen, ob das Objekt schon zum Verzehr geeignet ist, oder ob man die Avocado von überübermorgen vor sich hat. Da Früchte oft zu früh zu uns kommen (Bananen können grundsätzlich nie am Kauftag konsumiert werden), ist es legitim, zu prüfen, ob man sie effektiv essen kann. Bei Brot ist das anders. Brot braucht keinen Quetschtest. Brot ist, idealerweise, nicht quetschbar. Ich verstehe nicht, warum man ein Brot mit den Händen prüfen muss. Augen und Nase müssten eigentlich der Aufgabe gewachsen sein, ein adäquates Brot zu finden. Hände weg vom Brot, dass du nicht kaufen wirst. Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man nicht mit den Händen schaut?

2. Die Migros ist kein Familienausflugsziel.

Kinder sind, rein theoretisch, kleine Menschen. In der Praxis wird aber schnell klar, dass sie Ausgeburten der Hölle sind, die nur durch mühsame Konditionierung zivilisiert und in die höfliche Gesellschaft eingefügt werden können. Dazu kommt, dass sie an einem Samstag Morgen etwa das 22’000-fache von der Energie aufbringen können, die ihren erwachsenen Begleitpersonen zur Verfügung steht. Diese Kraft auf begrenztem Raum frei zu setzen kommt einem Akt des Krieges gleich. Kurz: wer seine Bälger nicht eisern unter Kontrolle hat, muss mit ihnen wo hin, wo sie sich austoben können. Ein Einkaufzentrum oder Supermarkt ist dafür ungeeignet.

3. Das Layout des Supermarkts ist überall gleich.

Thank god for Corporate Identity, sie macht den Einkauf um etliches schneller. Wenn man die Migros betritt, steht man unmittelbar in Früchten und Gemüse, direkt dahinter befindet sich das Brot. Von dort aus kann man die Milchprodukte und Eier sehen. Die Fleisch- und Fisch-Theke ist an der hinteren Wand, dazwischen finden sich Müsli, Getränke, und assortierte Süssigkeiten. Auf dem Weg zurück vom Fleisch gelangt man über die Konserven, den Tierbedarf, die Hygiene- und Haushaltsartikel zu den – hoffentlich als Self-Service verfügbaren – Kassen. Es ist immer gleich. Kennste eine Migros, kennst du sie alle. ALSO STEH NICHT IN DER GEGEND RUM, ALS WÄRST DU NEU HIER. Ein optimaler Verkehrsfluss ist essenziell an einem Samstag. Sei nicht du das unbewegliche Objekt.

4. Ich weiss, ihr habt euch lange nicht gesehen.

Aber könntet ihr euch vorstellen, eure Konversation an einen Ort zu verlegen, der eine weniger grosse Verkehrsdichte aufweist?

5. Das Ende der Rolltreppe ist kein Aussichtsplateau.

So eine zweistöckige Migros kann massiv desorientierend sein, aber ich bin sicher, dass man auch vier Schritte von der Rolltreppe weg innehalten und sich umschauen könnte, ohne gleich vollständig verloren zu sein. Im Notfall (im äussersten Notfall) kann man eine/n der Einheimischen ansprechen. Nur nicht die mit den Kopfhörern.

6. You break it, you own it.

Also gut, die Migros geht an diese Frage nicht so rigoros heran, wie sie könnte. Normalerweise wird einem verziehen, wenn man was kaputt gemacht hat. Aber schön für den zwischenmenschlichen Umgang wäre es, den Vorfall zu melden, bevor der /die Nächste um die Ecke kommt, und sich voller Elan in einen See von Honig stellt.

7. Du musst das Gemüse selber wiegen.

Ja, bevor du an die Kasse gehst. Das ist jetzt seit etwa tausend Jahren so. Wenn ein Objekt einen Preis pro Stück, oder einen bereits bestimmten Preis hat, ist es so angeschrieben. Wenn es nicht angeschrieben ist, musst du es wiegen. Du. Nicht die Kassiererin.

8. Benutz den Warentrenner.

Ich meine, wirklich. Wie schwer kann es sein? Dieses schlichte Stück Plastik macht es der Kassiererin einfacher, deine Ware von meiner Ware zu unterscheiden. So muss sie nicht nachfragen. Es ist ein Frage der Höflichkeit und Effizienz: der/die Vordere legt nach seinem/ihrem Zeug den Warentrenner hin. Wie zivilisierte Menschen.

9. Komm mir nicht mit 20 Franken in Föiferli.

Die Migros-Kasse ist nicht der Ort, wo du deine über acht Monate gesammelten Föiferli verwendest, um 18.35 CHF zu bezahlen. Wenn du Kleingeld in grosser Menge loswerden willst, hol dir eine Papierrolle bei der Post, du kleiner Asi. „Das ist aber auch Geld!“, sagst du mir dann. Das ist korrekt. Und es ist auch nicht verboten, ein bodenlos mühsames Arschloch zu sein. Du hast dann einfach keine Freunde, aber das ist eine Frage von Prioritäten.

10. Die Öffnungszeiten sind verbindlich.

Wenn du zwei Minuten vor Ladenschluss reinkommst, erwarte ich, dass du deinen Einkauf innerhalb von 90 Sekunden erledigt hast. Es ist der Gipfel der Rücksichtslosigkeit, kurz vor Ende reinzuschneien, und sich dann alle Zeit der Welt zu lassen. Hier arbeiten andere Menschen, die auch ein Leben haben, und die insbesondere auch nach Hause wollen. Wer das nicht respektieren kann ist der letzte Mensch. Ich hoffe, du stolperst auf dem Weg nach Hause über eine Baumwurzel und landest in einem Hundehäufchen.

11. Die Feiertage sind oft kürzer als ein atomarer Winter.

Ihr werdet nicht verhungern. Versprochen.

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